28.03.2024 - Schwäbische Zeitung - Birgit van Laak und Thomas Werz
Keine Entspannung bei Pflegeplätzen in Sicht
Wegen Personalmangels teils Betten unbelegt - Worauf sich Angehörige einstellen müssen
Wer einen Pflegeplatz braucht, steht vor einer Herausforderung. „Die Situation im Bereich stationäre Dauerpflege ist angespannt, vor allem, wenn schnell ein Platz benötigt wird“, sagt der Pressesprecher des Landratsamts Biberach. So sieht es in den verschiedenen Einrichtungen aus, auf diese Wartezeiten müssen sich Angehörige einstellen. Und so weit gehen Angebot und Nachfrage künftig auseinander.
„Die Platzzahlen in der stationären Dauerpflege sind in den letzten Jahren gesunken“, berichtet der Pressesprecher des Landratsamts, Philipp Friedel. Das liege vor allem an den Vorgaben der Landesheimbauverordnung, die unter anderem Einzelzimmer vorschreibt. Wurden Ende 2014 landkreisweit 1414 Dauerplätze in Heimen gezählt, waren es 2023 64 weniger. Neu hinzugekommen sind 62 Plätze in ambulant betreuten Wohngemeinschaften. Die Situation bei den Heimplätzen bezeichnet Friedel als „angespannt“. „Auch im ambulanten Bereich steigt die Nachfrage und auch hier können nicht alle Menschen sofort versorgt werden“, sagt er.
Der Pflegepersonalmangel verschärft das Problem. Das zeigt eine Umfrage der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft aus dem Jahr 2023. Demnach blieben fast sieben Prozent der Betten in Pflegeeinrichtungen wegen Personal- und Geldmangels leer.
Die Folgen des Fachkräftemangels sind auch im Kreis Biberach spürbar. So kann das Pflegeheim „Individuell Leben und Wohnen“ (ILW) des Bürgerheims Biberach derzeit zwölf der 99 Betten nicht belegen, weil Personal fehlt. „Im vergangenen Kalenderjahr haben sich insgesamt 130 Personen auf die Warteliste für das ILW setzen lassen“, sagt Bürgerheim-Geschäftsführer Ralf Miller. Das ILW hat eine Warteliste mit den Kategorien „vorsorglich“ und „dringlich“. Die Plätze werden laut Miller nach Wartezeit und in Abhängigkeit vom Pflegegrad vergeben. Werde zum Beispiel ein Platz frei, den bisher jemand mit Pflegegrad 2 belegt hatte, rücke die erste Person auf der Liste mit diesem Pflegegrad nach, sagt er. Das sei unter Umständen nicht diejenige mit der längsten Wartezeit insgesamt. „Je nach Pflegegrad kann die Aufnahme durchaus einige Jahre dauern.“
„Unsere 92 Plätze sind voll belegt“, sagt Bettina Michelis, Geschäftsführerin des Seniorenzentrums Laupheim. Die Anfragen für einen möglichen Pflegeplatz erreichen sie nicht nur aus dem näheren Kreisgebiet, sondern auch von Ulm über Blaubeuren bis Tübingen. Für eine Unterbringung in der Kurzzeitpflege gebe es täglich zwei bis fünf Anfragen, für einen Dauerpflegeplatz eine lange Warteliste mit drei dicken Ordnern. Die Wartezeiten auf einen Platz seien unterschiedlich und betragen zwischen vier Wochen und bis zu neun Monaten, so Michelis.
Froh ist Michelis, dass das Seniorenzentrum alle Betreuungsplätze voll belegen kann. „Wir haben aktuell ausreichend Personal.“ Doch dies gelinge nur über eine hohe Ausbildungsquote; das Seniorenzentrum Laupheim bildet aktuell 16 Auzbis aus, erläutert Michelis. Nur so habe man eine Chance, dem Pflegenotstand etwas entgegenzusetzen. Diese Situation werde sich aber zunehmend verschärfen, ist die Geschäftsführerin überzeugt. Der Personalmangel werde weiter zunehmen. Ein weiteres Problem seien die steigenden Kosten. „Wenn sich nichts ändert, wird Pflege zum Luxusgut.“
Der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) Region Oberschwaben Nord betreibt zwei Pflegeeinrichtungen in der Region, das Seniorenzentrum „Sofie Weishaupt“ in Schwendi sowie das Seniorenzentrum „An der Rottum“ in Laupheim. In Laupheim sind alle 57 Plätze aktuell belegt, erklärt Geschäftsführerin Roswitha Ruf, die beide Häuser verantwortet. „Im Gegensatz zu anderslautenden Gerüchten haben wir im Pflegeheim ,An der Rottum' Vollbelegung und langfristige Pläne“, stellt Ruf klar. Die Wartezeit auf einen Pflegeplatz in Laupheim betrage derzeit zwischen einer Woche und maximal drei Monaten.
In Schwendi dagegen wurde das Seniorenheim erst im Januar auf mögliche 78 Plätze erweitert. „Dort haben wir aktuell 20 freie Plätze, diese werden wir bis Ende des Jahres nach und nach belegen“, so Ruf. Parallel werde auch das zusätzlich notwendige Personal eingestellt.
Roswitha Ruf beobachtet jedoch, dass die Anfragen nach einem Pflegeplatz „immer dringlicher und kurzfristiger werden“. Denn auch die ambulante Versorgung kämpfe mit denselben Schwierigkeiten. „Pflegekräfte fehlen überall. Doch die Nachfrage ist groß und wir stellen die vorhandenen Betten zur Verfügung“, sagt Geschäftsführerin Ruf. Um dem Leerstand entgegenzutreten, verfolge der ASB daher eine andere Strategie. Um die Auslastung möglich zu machen, „arbeiten wir auch mit Leiharbeitskräften“, erklärt Ruf.
Nicht praktikabel nennt der Pressesprecher der St.-Elisabeth-Stiftung, Christian Metz, die klassischen Wartelisten. Diese würden in den Pflegeheimen der Stiftung nicht geführt. Aber selbstverständlich würden Anrufer wahrgenommen und registriert. Freie Plätze vergebe man direkt wieder. „Unsere Einrichtungsleitungen haben auf dem Schirm, wer momentan dringend einen Platz benötigt.“ Auf welche Wartezeiten man sich einstellen müsse, lasse sich nicht sagen. „Wir sehen nur jeden Tag, dass der Bedarf da ist.“
Das Landratsamt geht davon aus, dass im Jahr 2035 1447 stationäre Pflegeplätze vorhanden sind. Der Bedarf liegt laut Friedel aber um 110 Plätze höher, also bei 1557 - und das nur, wenn auch im Kreis Biberach der Trend zu mehr ambulanten Pflegeleistungen geht. Sollte das nicht der Fall sein, seien 324 zusätzliche Plätze nötig.
„Die Perspektiven sind nicht gut“, sagt Friedel. Mit Blick auf die Plätze und den Fachkräftemangel stellt er fest: Die große Zahl von Menschen, die demografisch bedingt in den nächsten Jahren pflegebedürftig werden, werde man nicht in Heimen versorgen können. Die Herausforderung laute, Menschen mit Unterstützungsbedarf und auch mit höherem Hilfebedarf möglichst lange im häuslichen Umfeld zu betreuen und zu pflegen. Es werde ein Mix aus professionellen, semiprofessionellen sowie ehrenamtlichen und nachbarschaftlichen Hilfe- und Unterstützungsangeboten benötigt.